Veranstaltung: | Grün.Links.Berlin Kongress |
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Antragsteller*in: | Katrin Schmidberger/Thomas Weigelt (KV Xhain) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 03.03.2020, 21:08 |
A1: Grüne und soziale Mietenpolitik tut Not – viele Wege führen nach Wien!
Antragstext
R2G wirkt! Mit dem Mietendeckel kommen wir der gemeinwohlorientierten
Neuausrichtung des Berliner Wohnungsmarktes à la Wien ein Stück näher. Damit
zeigt sich auch, dass eine links-progressive Regierung die drängendste soziale
Frage unserer Zeit angeht, Wohnen als öffentliche Daseinsvorsorge begreift und
bereit ist, dafür neue, unsichere Wege zu gehen. Aber die Diskussionen um den
Mietendeckel verdeutlichen auch, wie groß die Beharrungskräfte in weiten Teilen
der SPD sind. Wir Grüne müssen hier die Koalition antreiben und dabei die
Bestandsmieter*innen genauso wie die Zu- und Umziehenden in den Blick nehmen.
Der Mietendeckel darf erst der Anfang sein
Der Mietendeckel hat gezeigt, dass es ohne das laute Einfordern von mehr
Mieter*innenschutz keine Fortschritte geben wird. Wir Grüne waren es, die
zusammen mit den Linken dafür gesorgt haben, dass ein echter Mietendeckel kommt
– auch dank des jahrelangen Drucks der Mieter*innen-Initiativen. Es ist eine
Frage der Gerechtigkeit, dass nicht die unredlichen Vermieter*innen profitieren
und überhöhte Mieten nicht weiterhin verlangt werden dürfen. Deshalb ist die
Absenkung von Mieten durch den Mietendeckel ein wichtiges Signal. Hier wird oft
gegen den Deckel angeführt, dass vor allem die Reichen und Gutverdiener vom
Mietendeckel profitieren würden. Statistisch mag dies vielleicht mehrheitlich so
sein. Grundsätzlich geht es aber um den Anspruch, dass Mieten nicht bis ins
Unendliche, je nach Renditeerwartungen der „Investor*innen“, steigen dürfen. Mit
dem Mietendeckel sorgen wir auch dafür, dass Mieten nicht mehr exorbitant
steigen nur weil jemand auszieht. Unser politischer Anspruch ist: es muss
möglich sein, sich mit einem durchschnittlichen Lohn eine bedarfsgerechte
Wohnung leisten zu können. Auch und gerade für Menschen mit kleinem Geldbeutel
muss Wohnen in jedem Kiez wieder leistbar werden und deshalb profitieren auch
sie vom Mietendeckel. Der Mietendeckel sorgt dafür, dass sich das Mietpreis-
Karussell nicht noch weiter dreht – was hoffentlich auch sinkende (oder
zumindest gleichbleibende) Bodenpreise bewirken wird. Der Mietendeckel soll den
1,5 Millionen Haushalten in Berlin eine fünfjährige Atempause und Rot-Rot-Grün
mehr politischen Spielraum verschaffen. Das ist bitter nötig, denn wir laufen
den wohnungspolitischen Fehlentwicklungen der letzten 20-30 Jahre immer noch
hinterher. Jetzt gilt es diesen Spielraum über 2021 hinaus zu nutzen.
Wohnen ist soziale Daseinsvorsorge – Eigentum verpflichtet
Der Markt hatte lange genug Zeit, um den Neubau in unserer Stadt zu regeln. Er
hat aber deutlich am Bedarf vorbei gebaut und ist daher nicht die Lösung für die
Wohnraumprobleme unserer Stadt. Wir Grüne sind für Neubau. Der private Neubau
von Wohnungen sorgt aber nicht für die Wohnungen, die am meisten von den
Berliner*innen gebraucht werden: Bezahlbarer Wohnraum! Immer noch fallen mehr
Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung als neue entstehen. Im Jahr werden
weniger als ein Prozent des Wohnungsbestands errichtet. Die Wohnungsfrage wird
daher nur im Bestand gelöst! Neben dem Neubau brauchen wir auch
ordnungsrechtliche Maßnahmen. Dies beginnt beim Mietendeckel, geht aber über den
Milieuschutz bis hin zum Zweckentfremdungs- und Wohnungsaufsichtsgesetz. Hier
müssen dringend die Vollzugsdefizite beseitigt werden und das geht schlicht
nicht ohne Personal.
Anders als viele Wirtschaftsgüter sind Wohnungen nicht einfach eine Ware,
sondern Grundbedürfnis für die Menschen. Wir Grüne dürfen nicht auf diejenigen
reinfallen, die propagieren, dass nur der soziale Wohnungsbau die Aufgabe hätte,
auch diejenigen mit geringem Einkommen mit Wohnraum zu versorgen. Eigentum
verpflichtet – dies bedeutet, dass jeder/m, die/der Wohnraum besitzt eine
Verpflichtung zum Gemeinwohl zukommt. Daher darf eine grün-linke Mietenpolitik
nicht nur die Spitzen der Entwicklung abdämpfen, sondern muss dafür sorgen, dass
sich die Menschen in der Breite wieder die Wohnungen leisten können. Und dabei
ist es nicht ungerecht, wenn Kreuzberg nicht teurer ist als Marzahn. Wir wollen
nämlich eine Durchmischung in jedem Kiez unserer Stadt! Auch wenn in Wien nicht
alles funktioniert – zum Beispiel aufgrund des österreichischen Mietrechts – so
ist der Wiener Weg wohnungspolitisch der Richtige: dort leben 60 Prozent der
Wiener*innen in kommunalen und genossenschaftlichen Gemeindebauten, breite
Schichten der Bevölkerung leben zusammen, Grundstücke werden nur im Erbbaurecht
vergeben, die Mieten sind gedeckelt und die Stadt investiert viel in die
Wohnraumförderung.
Kommunalen Bestand massiv erhöhen
Wien zeigt auch: eine neue Wohnungspolitik kann nur gelingen, wenn die Stadt
auch erheblichen Einfluss auf den Wohnungsmarkt nehmen kann. Daher bedarf es
eines großen kommunalen Wohnungsbestandes. Nachdem über Jahre der städtische
Wohnungsbestand verramscht wurde, hat Rot-Rot-Grün nun umgesteuert. Neben dem
Neubau bedarf es daher auch eines massiven Ankaufs von Wohnungen. Durch
Rekommunalisierungen und das kommunale Vorkaufsrecht wurden mehr als 12.000
Wohnungen wieder der öffentlichen Hand zugeführt. Bis heute wurden durch das
kommunale Vorkaufsrecht über 4.000 Wohnungen bzw. Haushalte durch den Kauf oder
Abwendungsvereinbarungen (Vereinbarungen zwischen Käufer*in und Bezirk, welche
die Mieter*innen für 20 Jahre absichert) geschützt. Dies muss weitergehen,
besonders in den Bezirken, wo der kommunale Bestand niedrig und der
Verdrängungsdruck besonders hoch ist. Auch wenn wir oft dafür kritisiert werden
– auch von Rot-Rot – sehen wir das Instrument als sehr wirkungsvoll an, um
Spekulation mit Wohnraum zu unterbinden. Die Angriffe gegen die DIESE eG haben
dies verdeutlicht. Auch die Vergesellschaftung von großen Wohnungsbeständen
sehen wir als Chance für eine Neuausrichtung des Berliner Wohnungsmarkts, weil
dies notwendig ist wenn große Wohnungsunternehmen ihre Geschäftsmodell, Wohnraum
ohne Rücksicht auf die Interessen der Mieter*innen als reines Anlageobjekt zu
missbrauchen, nicht beenden. Wenn wir für Autobahnen enteignen, dann doch erst
Recht um den Menschen ein Dach über dem Kopf zu sichern. Wenn wir es ernst
meinen mit dem Grundrecht auf Wohnen, müssen wir alle Instrumente und Bausteine
nutzen, um den Wohnungsmarkt mehrheitlich gemeinwohlorientiert auszurichten. Und
die Zeit drängt.
Notbremse gegen Immobilienspekulation ziehen
Während früher eher private Eigentümer*innen einzelne Miets- bzw. Zinshäuser
gebaut bzw. gekauft haben, damit Menschen darin wohnen können, verkommt heute
die „Ware“ Wohnung mehr und mehr zum Spielball großer Fonds und Investor*innen.
Inzwischen zahlen die Käufer*innen in zentralen Lagen bis zu dem 45-fachen der
aktuellen Jahresnettokaltmiete. Es geht bei diesen Anlageformen nicht mehr
darum, mit den Mieten ein Haus auskömmlich zu bewirtschaften und auch nicht
darum langfristig eine gute und sozial durchmischte Hausgemeinschaft bzw. Kieze
zu schaffen. Es geht immer häufiger um die höchstmögliche Gewinnmaximierung. Es
geht leider viel zu häufig auch darum Umsatz- und Grunderwerbssteuern zu
umgehen. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Stiglitz sagt, eine spekulative Blase
sei dadurch gekennzeichnet, dass Investor*innen nur noch auf den
Wiederverkaufswert achten und sich der Preis zunehmend von fundamentalen
Faktoren entfernt. Daher: die überhöhten Mieten und Kaufpreise sind Spekulation,
schwächen den Wirtschaftsstandort Berlin und nehmen den Menschen die eh oft
geringe Kaufkraft weg. Dass das alles legal ist – geschützt bzw. teilweise sogar
gefördert durch die Bundesregierung – das ist der eigentliche Skandal. Es geht
im Bund wie im Land letztlich auch darum, das Primat in der Wohnungspolitik
wieder zurück zu gewinnen.
Gemeinwohlorientierte Wohnungswirtschaft stärken statt schwächen
Wir Grüne wollen einen bunten Wohnungsbestand, in dem auch alternative
Wohnformen möglich sind. Daher setzen wir neben dem kommunalen Bestand auch auf
andere gemeinwohlorientierte Player, wie z.B. Genossenschaften und das
Mietshäuser Syndikat. Diese müssen gefördert werden und zwar im großen Stil und
nicht mit schlappen 20 Millionen Euro in zwei Jahren. Die Verkaufspolitik des
rot-roten Senats in den 2000ern hat gezeigt, dass anders als städtische
Wohnungsbaugesellschaften, die bei anderen politischen Mehrheiten wieder
verkauft werden können, genossenschaftliches Wohnen dauerhaft vor Privatisierung
und Renditestreben schützt. Wenn Genossenschaften (und andere
gemeinwohlorientierte Player) endlich auch große Grundstücke bekommen – durch
Konzeptverfahren im Erbbaurecht für Belegungsrechte von bis zu 99 Jahren –
können im Jahr bis zu 5.000 neue, dauerhaft gemeinwohlorientierte Wohnungen
entstehen. Damit könnten sie einen großen Beitrag dazu leisten, das Ziel bis
2030 jede zweite Neubauwohnung gemeinnützig auszurichten zu erreichen. Das ist
nämlich eine Mammutaufgabe. Das rote Wien macht es seit Kurzem vor: wenn die
Stadt Baurecht vergibt müssen 2/3 der Neubauten als Sozialwohnungen errichtet
werden. Wien fordert jedoch nicht nur, sondern fördert dies auch finanziell
deutlich stärker als dies in Berlin passiert. Derzeit droht in Berlin
stattdessen, dass der Anteil genossenschaftlichen Wohnens sinkt.
Öko und Sozial gehören zusammen
In der Öffentlichkeit wurde immer wieder der (vermeintliche) Widerspruch von der
Ermöglichung von energetischen Sanierungen und dem Schutz der Mieter*innen
beklagt. Wir Grüne müssen jedoch zeigen, dass wir diesem neoliberalen Geist
entgegentreten: Die Energiewende im Gebäudebereich ist nicht Privataufgabe der
Mieter*innen, sondern der Gesamtgesellschaft. Das heißt konkret, dass die Kosten
zwischen Mieter*innen, Vermieter*innen und dem Staat jeweils fair verteilt
werden müssen. Wir brauchen eine staatliche Förderung der energetischen
Sanierung im Mietwohnungsbereich, die verpflichtend genutzt werden muss. Dazu
sind viel mehr als die bisher im Landeshaushalt enthaltenen 50 Millionen Euro im
Jahr notwendig. Wenn wir das Klima und die Mieter*innen gleichermaßen schützen
wollen, dann müssen wir hier deutlich mehr investieren, um diesen öko-sozialen
Konflikt wirklich aufzulösen.
Grüne Glaubwürdigkeit
Ob der Mietendeckel oder das kommunale Vorkaufsrecht: gerade diese Instrumente
haben die großen Widerstände und dicken Bretter anschaulich verdeutlicht, die es
zu überwältigen und bohren gilt, um eine gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik
durchzusetzen. Auch deshalb setzen wir – der grünen Tradition folgend – auf
Kooperation und wollen und brauchen den Rückhalt der Mieter*innen-Initiativen
und der Zivilgesellschaft. Sie haben schon oft bewiesen, dass sie Expert*innen
mit vielen progressiven Vorschlägen sind, die teils schon reale Politik geworden
sind. Wir haben ihnen viel zu verdanken. Jedoch müssen wir uns wohnungspolitisch
noch mehr Vertrauen bei den Mieter*innen-Initiativen und der Zivilgesellschaft
erarbeiten und Kompetenz gewinnen. Dies ist aber kein Selbstläufer. Gerade beim
Thema Wohnen geht es in erster Linie um Glaubwürdigkeit. Glaubwürdigkeit erlangt
man durch konkrete Politik vor Ort, aber auch durch Personen an der Spitze, die
authentisch und glaubwürdig als starke Stimme für die Mieter*innen in dieser
Stadt wahrgenommen werden. Auch in den Bezirken sollten wir noch viel stärker
mit der Mieter*innen-Bewegung zusammen arbeiten, denn gemeinsam sind wir
stärker!
Katrin Schmidberger und Thomas Weigelt (KV Xhain)
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